Dienstag, 12. März 2013

Wandel


Manchmal blicke ich traurig zurück, als meine Eltern noch der Meinung waren, dass ich, wenn ich den Computer einschaltete und ins „Internet ging“, quasi die Tür zum Keller der Gesellschaft öffnete, die Treppe hinunter stolperte und hirntot in die Fänge von dunklen Mächten geriet.

Damals, als die öffentlich/rechtlichen Sender das Feindbild „Internet“ erschufen, ein wahrhaft unberechenbarer Feind: illegal, kriminell, suchtgefährdend. Robert Steinhäusers Amoklauf in Erfurt brachte Killerspiele auf den Plan – dass die Moderatoren/Journalisten/Reporter keine Ahnung hatten wovon sie da sprachen, wurde recht schnell klar, als man vom Leben und Sterben, dem gewalttätigen Umherziehen mit Streitaxt in World of Warcraft, einem Veteran des eigenständigen Genres „Amoklauf Beta-Phase“, sprach. Und natürlich Counter-Strike! Indirekt versuchte man es als Pionier zu diffamieren, welches die reellen, schießwütigen Psychopathen auf eine neue taktische Ebene bringen sollte.

Das Internet war ein Geheimbund, eine Art unverständliches Medium mit unendlichen Möglichkeiten und die Leute die es nutzten waren entweder weise („Netzjournalismus), hatten einen geistigen Schaden oder waren osteuropäische Kreditkartendiebe, so die Presse.

Die neue Generation hat jegliche Faszination zerstört. Ja, ich wage zu behaupten, dass man heute unüberlegt und viel zu stürmisch mit dem WWW umgeht. Ein Beispiel: ich weiß es ist hart, aber tut mir den Gefallen und schaut euch einmal die Werbung irgendeines Privatsenders an: 80% handeln von Internet-Dienstleistungen. Denn nicht nur die neue 9GAG-Generation, die auf facebook jegliche Gefühlsausbrüche, jeden manisch-depressiven Anfall, jedes versoffene Partybild hochlädt ohne die Verschwendung eines Grammes Gehirnmasse an Konsequenzen oder an das Desinteresse der Anderen zu verschwenden, auch unsere Eltern und Großeltern fangen an, sich damit auseinander zu setzen.  

Und plötzlich verliert das Internet an Geheimnis, an Verruchtheit (außer man ist ein KiPo-Händler oder „Hacker“) und Freiheit. Denn was früher Grauzone war oder bei den Gesetzeshütern in die Ablage „Egalität“ wanderte, wie z.B. Piratebay oder Napster, wird heute mit einer Armee von Anwälten in endlosen Schlachten bekämpft, sodass man den Vergleich mit Planetside2 oder Scheiße, nicht scheuen muss.

Überall „lustige“ Bilder, „lustige“ Videos und „lustige Texte“, überall erfreut man sich über die gefakten SMS von gestern Nacht, mit „Witzen“ die german-bash.org schon in der Antike zitiert hatte. Man teilt Bilder von hungernden Kindern in einem abgewrackten Scheißhaus in Indien, oder ist das Nigeria? – um darauf aufmerksam zu machen und sein Gewissen zu beruhigen. 12jährige verzocken drei Monatsmieten bei Browsergames und free-to-play-Games, die S/U-Bahn-Nutzer hängen geschlossen an den Smartphones, und meine Oma beantwortet die Frage nach dem besten Rapper bei facebook mit „Tupac“.

Wie gerne wäre ich wieder der soziopathische Freak, der ins Internet „ging“. 

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