Manchmal blicke ich traurig zurück, als meine Eltern noch
der Meinung waren, dass ich, wenn ich den Computer einschaltete und ins
„Internet ging“, quasi die Tür zum Keller der Gesellschaft öffnete, die Treppe
hinunter stolperte und hirntot in die Fänge von dunklen Mächten geriet.
Damals, als die öffentlich/rechtlichen Sender das Feindbild
„Internet“ erschufen, ein wahrhaft unberechenbarer Feind: illegal, kriminell,
suchtgefährdend. Robert Steinhäusers Amoklauf in Erfurt brachte Killerspiele
auf den Plan – dass die Moderatoren/Journalisten/Reporter keine Ahnung hatten wovon
sie da sprachen, wurde recht schnell klar, als man vom Leben und Sterben, dem
gewalttätigen Umherziehen mit Streitaxt in World of Warcraft, einem Veteran des
eigenständigen Genres „Amoklauf Beta-Phase“, sprach. Und natürlich
Counter-Strike! Indirekt versuchte man es als Pionier zu diffamieren, welches
die reellen, schießwütigen Psychopathen auf eine neue taktische Ebene bringen
sollte.
Das Internet war ein Geheimbund, eine Art unverständliches
Medium mit unendlichen Möglichkeiten und die Leute die es nutzten waren
entweder weise („Netzjournalismus), hatten einen geistigen Schaden oder waren
osteuropäische Kreditkartendiebe, so die Presse.
Die neue Generation hat jegliche Faszination zerstört. Ja,
ich wage zu behaupten, dass man heute unüberlegt und viel zu stürmisch mit dem
WWW umgeht. Ein Beispiel: ich weiß es ist hart, aber tut mir den Gefallen und
schaut euch einmal die Werbung irgendeines Privatsenders an: 80% handeln von
Internet-Dienstleistungen. Denn nicht nur die neue 9GAG-Generation, die auf
facebook jegliche Gefühlsausbrüche, jeden manisch-depressiven Anfall, jedes
versoffene Partybild hochlädt ohne die Verschwendung eines Grammes Gehirnmasse
an Konsequenzen oder an das Desinteresse der Anderen zu verschwenden, auch
unsere Eltern und Großeltern fangen an, sich damit auseinander zu setzen.
Und plötzlich verliert das Internet an Geheimnis, an
Verruchtheit (außer man ist ein KiPo-Händler oder „Hacker“) und Freiheit. Denn
was früher Grauzone war oder bei den Gesetzeshütern in die Ablage „Egalität“
wanderte, wie z.B. Piratebay oder Napster, wird heute mit einer Armee von
Anwälten in endlosen Schlachten bekämpft, sodass man den Vergleich mit
Planetside2 oder Scheiße, nicht scheuen muss.
Überall „lustige“ Bilder, „lustige“ Videos und „lustige
Texte“, überall erfreut man sich über die gefakten SMS von gestern Nacht, mit
„Witzen“ die german-bash.org schon in der Antike zitiert hatte. Man teilt
Bilder von hungernden Kindern in einem abgewrackten Scheißhaus in Indien, oder
ist das Nigeria? – um darauf aufmerksam zu machen und sein Gewissen zu
beruhigen. 12jährige verzocken drei Monatsmieten bei Browsergames und
free-to-play-Games, die S/U-Bahn-Nutzer hängen geschlossen an den Smartphones,
und meine Oma beantwortet die Frage nach dem besten Rapper bei facebook mit
„Tupac“.
Wie gerne wäre ich wieder der soziopathische Freak, der ins
Internet „ging“.
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